Bauen
Zu Dott. Egidio Miserocchi

Nach unserer Auffassung von "gutem Bauen" ist das, was Egidio plant und realisiert, die nahezu perfekte Umsetzung eines Ideal-Konzepts von Architektur: organisch eingefügt in die Umgebung, in der heimischen Tradition verwurzelt, und dabei ganz modern.
Er hat vermutlich alle lateinischen und italienischen Schriften der Baumeister früherer Jahrhunderte gelesen, mit den unterschiedlichsten Techniken und Materialien experimentiert, auch viel Neues selbst entwickelt. Eins seiner historischen Themen ist Enkaustik.
Experiment in Enkaustik

Diese Technik war in der ägyptischen Kultur (z. B. Mumienporträts) und der griechisch-römischen Antike (z. B. Wandmalereien in Pompeji) von großer Bedeutung.
Auch wenn sie später von anderen Maltechniken abgelöst
wurde, ging ihre Faszination nie ganz verloren, und noch heute lassen sich Künstler
von der geheimnisvollen Kunst inspirieren.
Die deutschen Stuckateur-Lehrlinge, die ein Praktikum bei Egidio machen durften, sind bereichert zurückgekommen und waren glücklich über das, was sie gelernt haben. Sie fanden es "sehr bedauerlich, dass man so etwas nur selten anwenden kann."
Weil das so ist, arbeitet auch der Meister vor allem als Stoffdrucker. Er hat diese Technik weiterentwickelt, experimentiert mit eigenen Anwendungen und ergänzt den Druck oft mit freier Malerei.


Gerne benutzt er auch Naturfarbstoffe; Waid wächst
sogar im eigenen Garten.
Egidio sei auch ausgebildeter Mosaizist, sagten wir. Dieses
Können hat er natürlich auch im eigenen Atelier verwirklicht und damit einen
weiteren Lokalbezug sichtbar gemacht:
Das Weltkulturerbe von Ravenna ist nur
wenige Kilometer entfernt.


Die Treppe nach oben ist mit einem einfachen
geometrischen Muster belegt. Oben angekommen, gibt es dann auf dem Fußboden und
dem kleinen Tisch reichlich zu sehen, was man sich unter Mosaik gemeinhin
vorstellt: Bilder aus vielen kleinen Steinchen.


Vielleicht mag man sich an das Tischlein setzen, um alles einmal in Ruhe zu betrachten. Es bietet grade Platz für ein Glas Wein und ein paar Scheiben prosciutto – angeboten auf einem Servierbrett mit M…!


Zu PhD Kyle
Holzhueter

Wenn man japanisches Handwerk betrachtet, steht man oft staunend davor und fragt sich, wie geht das? wie ist das möglich…? Und das gilt für jedes Handwerk.
Gleich zum Vereinsstart hatten wir das Glück, dass
Kyle nach Deutschland kommen konnte. Der Amerikaner lebt in Japan und hat dort
die Ausbildungen für die traditionellen Handwerkstechniken absolviert und lehrt
sie inzwischen selbst.
Er hat für den Verein verschiedene Veranstaltungen
angeboten – ein großes Geschenk für uns!
Vorträge hat er an den Universitäten Leipzig und
Tübingen gehalten und bei mehreren Deutsch-Japanischen Gesellschaften.
Besonders dankbar sind wir dafür, dass zwei Ausbildungsstätten, der Lehrbauhof in Berlin-Marienfelde (s. "Konkret" Nr. 4, Dezember 2014) und die ÜBA Leonberg, ihren Lehrlingen seine mehrtägige Einführung in japanische Putztechniken ermöglicht haben.
Wie anregend solche Meisterarbeiten auf kreative junge
Menschen wirken müssen, kann man sich leicht vorstellen – und sie setzen
Maßstäbe.






Zum Stuckateur-Meister Giorgio aus Venedig
Jetzt möchte ich eine kleine Geschichte aus dem Kalkkultur-Land Italien erzählen, weil sie viel über das Verständnis von handwerklicher Arbeit aussagt.
Der weltweit (stimmt wirklich!) geschätzte venezianische Stuckateur und seine Sekretärin haben mir von ihrem Arbeitsalltag berichtet, und ich habe gehofft, endlich von kompetenter Seite zu erfahren, was denn nun eigentlich dieser Stucco Lustro sei – aber: betretenes Schweigen…!
Da ich mir keiner Unfreundlichkeit bewusst war, habe ich endlich nach dem Grund des Schweigens gefragt. Mit dieser Antwort hatte ich allerdings nicht gerechnet: Das sei ein Marketing-Begriff, mit dem sie nichts anfangen können.
Auch auf meine Frage nach Bezeichnungen für ihre eigenen Techniken gab es keine für mich verständliche Reaktion. Schließlich haben sie ihre Arbeitsweise beschrieben.

Wenn eine Anfrage eingeht, fahren sie zum Kunden, fragen ihn nach seinen Wünschen, schauen sich die Gegebenheiten an – und auf dieser Basis suchen sie gemeinsam nach der optimalen Lösung - für den konkreten Ort - in der aktuellen Situation…
So einfach… aber, was für ein Luxus…!
(Karola König)